Bonn (ots) –
Die Demokratie stärken durch Bürgerräte: Darauf hatten sich die Regierungsparteien im Deutschen Bundestag im Koalitionsvertrag verständigt. Noch in diesem Jahr will das Bundestagspräsidium zufällig geloste Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen auf den Weg bringen. Jetzt empfing Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz eine Delegation des Bürgerrats Bildung und Lernen (https://www.buergerrat-bildung-lernen.de/) und nahm die Empfehlungen zur Umgestaltung des deutschen Bildungssystems entgegen. Der Bürgerrat Bildung und Lernen ist aktuell der einzige Bürgerrat, der auf Bundesebene aktiv ist und auch Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren einbezieht. Ins Leben gerufen wurde er von der unabhängigen und gemeinnützigen Montag Stiftung Denkwerkstatt in Bonn. Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt.
Aydan Özoguz zeigte sich sehr aufgeschlossen und interessiert für das Verfahren und für die Arbeit des Bürgerrats Bildung und Lernen. „Jeder einzelne Bürger, jede Bürgerin kann mehr bewegen als er oder sie vielleicht denkt. Bürgerräte sind eine Bereicherung der parlamentarischen Demokratie, weil sie die Perspektivenvielfalt unserer Gesellschaft spiegeln und Menschen miteinander ins Gespräch bringen.“ Auf die Frage, welche Empfehlung sie dem Bürgerrat Bildung und Lernen für die weitere Arbeit geben würde, sagte Aydan Özoguz: „Ladet uns als Vertreterinnen und Vertreter der Politik gerne in den Bürgerrat ein, und zwar nicht fürs Podium, sondern vor allem, um zuzuhören und einen Einblick in die Diskussion zu bekommen.“
Mehr als 500 zufällig ausgewählte Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen und allen Teilen der Republik haben im zurückliegenden Jahr Ideen und konkrete Umsetzungsempfehlungen für eine zukunftsfähige Schul- und Bildungspolitik erarbeitet.
Auf Länderebene stößt das „Sofortprogramm (https://www.buergerrat-bildung-lernen.de/sofortprogramm/)“ des Bürgerrats Bildung und Lernen bei der Politik bereits auf großes Interesse. Es gab Einladungen in die Bildungsausschüsse der Landtage in Nordrhein-Westfalen und in Sachsen. Persönliche Treffen der Kinder- und Bürgerbotschafter/-innen konnten u.a. mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sowie den Bildungsministerinnen Karin Prien (Schleswig-Holstein), Yvonne Gebauer (NRW) und Christine Streichert-Clivot (Saarland) vereinbart werden. Auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken informierte sich in einem persönlichen Gespräch mit den sogenannten „Losbürger/-innen“ über die Arbeit und die Empfehlungen des Bürgerrats Bildung und Lernen.
Stimmen aus dem Bürgerrat: Zwischenbilanz nach einem Jahr
Die Pandemie hat deutliche Schwächen im deutschen Bildungssystem aufgezeigt. Viele Menschen sind unzufrieden und möchten, dass sich an dem aktuellen Zustand des Bildungssystems etwas ändert. „Diese Haltung hat sich vor einem Jahr auch gleich beim ersten großen Treffen der ausgelosten Bürgerinnen und Bürger widergespiegelt“, erinnert sich die Studentin Cynthia Seidel (22) aus Halle an der Saale. „Wir haben nun die Chance, bundesweit mit den Bildungspolitikerinnen und -politikern aus ganz Deutschland ins Gespräch zu kommen, im Bund, in den Ländern und in den Kommunen. Das ist spannend, doch wir erleben gerade auch, wie mühsam unsere „Bildungssystem-Reise“ ist. Bildung ist vor allem Ländersache, jedes Bundesland hat hier eigene Strukturen und verfolgt eigene Schwerpunkte.“
Probleme bekannt, warum bewegt sich da nichts?
„Dabei sind die großen Probleme bei der Bildung seit vielen Jahren bekannt und überall in Deutschland ein Thema: Chancengerechtigkeit, die stockende Digitalisierung, marode Schulgebäude … Warum bewegt sich da nichts?“, fragt Stefan Heinz (30), Polizist aus Wiesbaden. „Auch in der deutschen Bildungspolitik bräuchte es eine Zeitenwende, eine partei- und länderübergreifende Bildungsoffensive, bei der alle an einem Strang ziehen“, wünscht sich der junge Familienvater. Bernd Becker (67), pensionierter IT-Fachfachmann aus Paderborn, ist überzeugt, dass Bürgerräte aktiv dazu beitragen können, die Politik und die Menschen wieder näher zusammen zu bringen. Auch er engagiert sich seit einem Jahr im Bürgerrat Bildung und Lernen. „Jede und jeder von uns hat eigene Erfahrungen mit Bildung gemacht, entsprechend bunt gemischt ist die Zusammensetzung unseres bundesweiten Gremiums. Doch bei allen wichtigen Fragen wie unser Bildungssystem besser gemacht werden kann, haben sich die Mitglieder des Bürgerrats auf Empfehlungen verständigt, die von allen gemeinsam getragen werden. Hier geht der Bürgerrat Bildung und Lernen mit gutem Beispiel voran. Und viele unserer Empfehlungen lassen sich auch niedrigschwellig umsetzen, wenn der Wille da ist.“
Aktuell findet eine neue Zufallsauswahl für den Bürgerrat Bildung und Lernen statt. Ende Juni werden sie in einem großen Bürgerforum mit rund 400 Menschen aus ganz Deutschland das zentrale Bildungsthema Chancengleichheit“ in den Fokus rücken. Hier schneidet Deutschland im internationalen Vergleich regelmäßig schlecht ab.
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