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Sonntag, 13. Oktober 2024

Ist New Work gescheitert?

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Berlin (ots) –

Die Arbeitswelt von morgen steht vor Herausforderungen, die eine grundlegende Neuausrichtung von Unternehmen einfordern. Der Arbeitsreport 2024 dient als kritischer Leitfaden, um die brisanten Entwicklungen, insbesondere im Kontext von New Work, zu beleuchten und konkrete Handlungsempfehlungen zu bieten. Diese können die Idee einer besseren Arbeitswelt vielleicht doch noch retten.

Seit etwa zehn Jahren erodieren die klassischen Vorstellungen von Arbeit, Führung, Unternehmensorganisation, Karriere und Erfolg sowie die Bedeutung von Einkommenshöhe und Status. Laut dem Zukunftsreport 2023 des Zukunftsinstituts sind Überstunden, Konkurrenzkampf und Präsenzzeiten nicht mehr zukunftsfähig.

Spätestens mit der Coronakrise haben Menschen, laut Fjord-Trends-Bericht von Accenture, weltweit begonnen, ihre Beziehung zu ihrer Arbeit grundlegend zu hinterfragen. Sinnvolle Arbeit, mehr Gestaltungsspielraum und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sind heute wichtiger als je zuvor. Agile Teams, die eigenverantwortlich arbeiten, sollten zum Standard werden. Das direktiv und hierarchisch führende, mit Zahlendruck und Angst arbeitende Manager-Patriarch wurde zum toxischen Führungsmodell erklärt. Diese Veränderungen der Arbeitswelt, die durch Corona nochmals beschleunigt wurden, werden oft unter dem Schlagwort „New Work“ zusammengefasst.

Mit dem „Arbeitsreport 2024“ liefern pressrelations und Zukunftsinstitut Workshop nun eine Wasserstandsmeldung zum Status Quo der New Work, zum Zustand der Arbeitswelt 2023 insgesamt und geben einen Ausblick auf die Veränderungen, die noch bevorstehen.

Die Medienanalyse, die dieser Studie zugrunde liegt, zeichnet ein ernüchterndes Bild der aktuellen Arbeitssituation. Ob Job-Zufriedenheit, Loyalität zum Arbeitgebenden oder die mentale Gesundheit – alles befindet sich laut der in den ausgewerteten Medienartikeln zitierten Studien auf einem historischen Tiefstand. Die Menschen fühlen sich erschöpft, während ihre „To-Do-Liste explodiert“, so der renommierte Soziologe Harmut Rosa. Die Folge: 40 Prozent der globalen Arbeitnehmerschaft wollen in naher Zukunft ihren Job kündigen (World Economic Forum 2023).

Die drohende Kündigungswelle und die umfassende Erschöpfung aufgrund belastender Arbeitsverhältnisse werden medial stark diskutiert. Unter den Begriffen „Great Resignation“ und „Big Quit“ widmeten sich in den letzten 12 Monaten mehr als 30.000 Artikel (DE/EN) den unterschiedlichen Facetten und Ursachen dieses Zustands. Dabei ist „Mentale Gesundheit“ als kritischer Faktor im Arbeitskontext mit 1,1 Mio. Artikeln im englischsprachigen Raum eines der größten Themen überhaupt. Das New-Work-Versprechen hat sich offenbar (noch) nicht erfüllt.

Der Fisch stinkt vom Kopf her

So heißt es oft. Was die Unzufriedenheit im Job angeht, scheint es laut einer aktuellen Gallup-Umfrage auch so zu sein. Die Analyse repräsentiert 27 Mio. Arbeitnehmende aus 195 Ländern und kommt zu einem klaren Schluss: In 70% aller Fälle von Unzufriedenheit im Job gelten die Vorgesetzten als Hauptursache.

Die Ergebnisse verwundern, denn eigentlich sollte sich im Fahrwasser von New Work längst ein neuer Führungsstil etabliert haben, der deutlicher auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden eingeht, mittels kooperativer, empathischer und unterstützender Führung. Er arbeitet zudem strikt teamorientiert, fördert eigenverantwortliches Engagement, ist menschlich nahbar und sorgt für eine angstfreie Arbeitsumgebung. Letzteres, das angstfreie Arbeiten, ist laut einer Google-Langzeitanalyse der mit Abstand wichtigste Faktor für erfolgreiche Teams.

Neue Führung bedeutet nicht einfach Kuschelkurs per helfendem Feelgood-Management. Ein solcher verkürzter Ansatz könnte sogar kontraproduktiv sein, da er Mitarbeitende unselbstständiger macht und ihre Problemlösungskompetenz beeinträchtigt. Gemeint ist vielmehr eine situativ angemessene Führung, wie Coach Lehky kürzlich in der Wirtschaftswoche betonte. Da Teams immer heterogener werden, muss die gesamte Klaviatur der Führungsstile beherrscht, aber individuell angewendet werden – entsprechend der Teamkultur, der Kompetenz, des Team-„Reifegrads“ sowie der aktuellen Projektsituation. Der US-Verhaltensforscher Paul Hersey hat aus den bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen vier Dimensionen situativer Führung in Abhängigkeit dieses Reifegrads definiert:

– Diktieren, wenn Mitarbeitende keine Kenntnisse haben oder Gefahr im Verzug ist.
– Argumentieren, wenn Mitarbeitende erfahren, aber nicht im Thema sind.
– Partizipieren, wenn jemand wirklich kompetent, aber noch unsicher ist.
– Delegieren, wenn Teams und Mitarbeitende perfekt eingespielt, sehr erfahren, sicher und inhaltlich kompetent sind. Das heißt, sämtliche Entscheidungen übertragen und sich selbst raushalten.

Kluge Konzepte für neue Führung gibt es inzwischen allerdings zuhauf. Gleichzeitig behaupten sich die alten, starren Führungsstrukturen recht erfolgreich gegen jeden Wandel. Thomas Sattelberger, Ex-Telekom Personalvorstand, beklagte im September 2023 im Handelsblatt, in vielen Unternehmen und besonders bei großen Tech-Konzernen seien statt echter Transformation „große Illusionisten“ am Werk, die sich „mit Open Spaces, Innovation Labs und Duz-Kultur fortschrittlich geben“, dabei aber „hierarchische Dominanz mit modischem New-Work-Schnickschnack verkleiden“. New Work dient gerade dem überkommenen Führungstyp offenbar als willkommene Möglichkeit, toxisches Verhalten mit wohlklingenden, aber nichtssagenden New-Work-Aktionismus zu tarnen. „Fassade statt Substanz, so Sattelbergers niederschmetterndes Fazit zur vermeintlich neuen Führungskultur. James Cannon, Experte für Organisationsentwicklung, betont, dass diese Kultur „noch lange nicht ausgestorben“ sei.

Der große Shift

Gerade die jüngere Generation toleriert schlechte, d.h. alte direktive Führung jedoch kaum noch. Die Kündigungsbereitschaft ist deutlich höher, weil die Schmerztoleranz deutlich niedriger ist und weil psychologische Sicherheit sowie mentale Gesundheit deutlich wichtiger geworden sind.

Da wir aufgrund des demografischen Wandels noch mindestens die nächsten zehn Jahre in einem Arbeitnehmenden-Markt leben, werden die Erwartungen dieser Generation an eine neue Arbeits- und Führungskultur die Zukunft unserer Arbeit bestimmen. Es ist daher wichtig, diese Erwartungen ernst zu nehmen.

„Es ist nicht so, dass es der jungen Generation an „Bock auf Arbeit“ mangelt. Eher brauchen die Unternehmen mehr Lust auf motivierte junge Leute“ – Monika Schnitzer, Wirtschaftsweise

Viele Unternehmen berücksichtigen das bereits. So hat die weltweit tätige C-Level-Beratung Russell Reynolds Associates 5.000 Job-Beschreibungen für Top-Führungskräfte aus 17 Jahren ausgewertet. Während die Bedeutung typischer Management-Skills um 40 Punkte zurückging, stieg sie bei den „Social Skills“ um 30% – eine Schere von 70 Punkten Unterschied, wo im Jahr 2000 noch Gleichstand herrschte.

New Leadership als Kern von New Work ist also längst angekommen. Gleichzeitig besteht New Work noch zu häufig aus nicht viel mehr als leeren Management-Floskeln. Zudem erscheint es als zutiefst elitäres Konzept, anwendbar nur für top-ausgebildete Wissensarbeitende. Weniger privilegierte Mitarbeitende wie Pflegepersonal, Abfallwerkende und Lieferdienste und damit die überwiegende Anzahl der Arbeitenden hat New Work nie erreicht. Denn für sie war es nie gedacht.

Der schlechte Zustand dieser Arbeitsbereiche wiederum ist vor allem verantwortlich für die „Great Resignation“ und den „Big Quit“. Vor diesem Hintergrund sollte New Work, Stand heute, als gescheitert angesehen werden.

Wenn Sie mehr über die Arbeitswelt von morgen und das komplexe Thema New Work erfahren möchten, können Sie in den Arbeitsreport 2024 hier kostenlos reinlesen (https://pressrelations.news/arbeitsreport-2024-newwork).

Pressekontakt:
pressrelations GmbH
Eva-Katharina Wenzel
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Quelle: ots

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